Montage der Fassade, die als riesiger Heizkörper fungiert, beginnt
Seit Monaten bietet sich den Besuchern und Baustellenbegeisterten im Botanischen Garten Berlin-Dahlem ein geheimnisvolles Bild. Das denkmalgeschützte Große Tropenhaus ist christo-artig verhüllt, die ungewohnte Geräuschkulisse lässt auf intensive Bauaktivitäten in seinem Inneren schließen. Tatsächlich wurden im Rahmen der Grundsanierung des Wahrzeichens inzwischen u.a. teils 100 Jahre alte Farbe und Rost vom Stahltragwerk entfernt, Katakomben und Pflanzbeete erneuert, umfangreiche Stahlsanierungsarbeiten ausgeführt und neue Farbschichten auf das komplett entglaste Gebäudeskelett aufgetragen. Jetzt wird die Verhüllung nach und nach wieder geöffnet. Der Blick auf eines der größten freitragenden Gewächshäuser der Welt wird zeitweise wieder frei, weil der Wiederaufbau der Fassade beginnt.
Das erste leiterartige Fassadenelement wird zwischen historischem Stahlträger und Gerüst eingefädelt [Foto: M. Krebs]
Stück für Stück werden insgesamt 436 leiterartige Fassadenelemente mit einem Gewicht von jeweils 600 – 800 kg vom Baukran zwischen die historischen Stahlträger und das Baugerüst eingefädelt und zusammengeschweißt. Aus diesen leiterartigen Fassadenelementen entsteht in den kommenden Monaten ein riesiges, etwa 4.500 m² großes Fassaden-Gitternetz in den Konturen des Gebäudes. Dieses Fassaden-Gitternetz stellt weit mehr dar als nur das Fenstersprossensystem für die in wenigen Wochen einzubauenden Glasscheiben. Denn jede Fenstersprosse ist innen hohl und wird später von fast 40°C warmem Heizungswasser durchflossen. Die Fassade ist also beheizbar. Alle horizontalen und vertikalen Fenstersprossen zusammengenommen ergeben etwa 7.500 laufende Meter, in denen das Heizungswasser in der Fassade läuft. Die Konstruktion stellt im Prinzip einen gigantischen Fassaden-Heizkörper dar, der das gesamte Große Tropenhaus netzartig umspannt. Es entsteht eine nach innen abstrahlende Fassadenheizung, die zur Außenseite des Gewächshauses hin thermisch getrennt ist. Die Fassadenheizung wird in 26 separate Heizkreisläufe mit eigenem Vor- und Rücklauf unterteilt sein.
Die neuartige Fassadenheizung wird dafür sorgen, dass die Glashülle des sanierten Großen Tropenhauses auch im Winter weitgehend kondenswasserfrei bleibt. Das Beschlagen der Scheiben bei kalten Außentemperaturen ist in herkömmlichen Gewächshäusern ein Problem, weil die Lichtausbeute für die Pflanzen sinkt und es zu Schimmel- und Algenwachstum an den Scheiben kommt. Insgesamt stellt die Fassadenheizung des Gebäudes eine der Hauptkomponenten des innovativen Heizungs- und Klimatisierungssystems dar, das maßgeblich zur Senkung des bisherigen Energiebedarfs um 50% beitragen wird.
Die Fassadenelemente (Fenstersprossen) sind innen hohl und führen das fast 40°C warme Wasser der Fassadenheizung [Foto: M. Krebs]
Die Planung für die innovative Fassadenheizung wurde unter dem Dach des Generalplaners Haas Architekten BDA aus Berlin von den Ingenieurbüros Dittrich VBI aus Waren (Müritz), Fink GmbH aus Berlin und Dr. Pit- scheider aus München erarbeitet. Ausgeführt werden die Arbeiten von der Sächsischen Spezialfirma Radeburger Fensterbau GmbH, Bärwalde. Insgesamt wird die Grundsanierung des Großen Tropenhauses von der Technischen Abteilung der Freien Universität Berlin koordiniert, da der Berliner Botanische Garten - einer der größten und artenreichsten weltweit - eine Zentraleinrichtung dieser Universität ist. Die Freie Universität hat auch die Bauherrenfunktion übernommen.
Das Projekt wird aus dem Umweltentlastungsprogramm (UEP) gefördert, das von der Europäischen Union über den Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und vom Land Berlin (Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz) kofinanziert wird. Weitere Mittel stammen aus der Hochschulbauförderung (HBFG) des Bundes und der Länder, von der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin sowie von der Freien Universität Berlin.