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Damals in Afrika

Das Modell der Regierungsplantage Victoria im Botanischen Museum

»Der Botanische Garten hat eine wunderschöne Lage, ich habe wenige Plätze gesehen, die sich hierin mit ihm vergleichen könnten. An einer Seite ist er von der See umspült, die dort stark brandet. Nicht fern vom Ufer liegen einige Inseln... Auf der anderen Seite steigt unmittelbar das Kamerungebirge mit seinen zwei Spitzen von nahezu 2000 und über 4000 m Höhe imposant auf. Kamerun ist der schönste Punkt an der ganzen Westküste Afrikas; und nicht nur der schönste, sondern auch der fruchtbarste«. Mit diesen Worten schildert Dr. Paul Preuss im Jahre 1901 den von ihm aufgebauten botanischen Garten von Victoria (heute Limbe, Kamerun), direkt am Golf von Guinea gelegen. Ein farbiges Gipsmodell im Maßstab 1:600 von dieser Regierungsplantage befindet sich im Botanischen Museum Berlin-Dahlem. Es gibt den Zustand im Jahre 1895 wieder und bildete früher einen Bestandteil der sehr umfangreichen kolonialbotanischen Sammlung. Heute ist es in der Nutzpflanzenabteilung aufgestellt; mit einer Länge von ca. 195 cm, einer Breite von ca. 115 cm und einer maximalen Höhe von ca. 20 cm zählt es zu den größten Objekten dieses Bestandes.

Von den Engländern gegründet war der Ort Victoria und sein Hinterland im Jahre 1886 an das kurz zuvor zum Schutzgebiet deklarierte Deutsch Kamerun gekommen; schon Julius Freiherr von Soden, der erste Gouverneur, ließ einen botanischen Garten am Fuß des Kamerunberges anlegen, der sich rasch zu einer Versuchsplantage großen Stils entwickelte mit der Aufgabe »Nutzgewächse aus allen Tropenländern einzuführen, Akklimatisationsversuche zu machen, die geeignetsten Pflanzen in grösserem Masstabe zu bauen, sie sachgemäss zu präparieren in grösseren Mengen auf den Markt zu bringen, um sichere Schlüsse auf die Güte der Produkte und eventuell auf die Rentabilität des Anbaues der Pflanzen erzielen zu können«.

Anschaulich beschreibt P. Preuss, der erste Direktor dieser Regierungsplantage, die mannigfachen Schwierigkeiten, mit denen man zu kämpfen hatte: »[Die] grössten Feinde in den Tropen sind Fieber, Sonne und Insekten... Von letzteren sind besonders lästig 1. die Sandfliege[n]... stechen... sehr empfindlich... umschwärmen zu Millionen den Menschen. - Bei Nacht werden sie abgelöst durch 2. die Moskitos. Diese sind allerdings nicht zahlreich, aber sie gehören teilweise zu denjenigen, welche als Träger der Malaria gelten... 3. Die Treiberameisen. Sie befallen den botanischen Garten in Viktoria mit besonderer Vorliebe... 4. Weiter sind schädlich die Blattameisen... Sie nisten sich auf allen Bäumen ein, bauen aus Blättern ihre Nester... 5. Die Termiten... 6. Lästig sind auch die Stachelschweine und Quastenstachler und die Erdferkel. Erstere sind grosse Feinschmecker fressen die Kakaofrüchte an und nehmen die Bohnen heraus«.

Angebaut wurde eine Vielzahl an Nutzpflanzen, von denen man lebendes Material teils von der botanischen Zentralstelle für die Kolonien am königlichen botanischen Garten in Schöneberg bei Berlin erhielt, teils aus Gärten in anderen Tropenländern. Auf dem Modell im botanischen Museum, das möglicherweise für die botanische Zentralstelle angefertigt wurde, sind Flächen ausgewiesen für »Liberia Kaffee, Arabischen Kaffee«, »Pfeffer«, »Oelpalmen«, »Vanille«, »Kakao«, »Ingwer« und »Ceiba pentandra« (Kapok-Baum) sowie als »Reste des Urwalds« bzw. »Neue Urwaldrodung«. Dies ist aber nur ein kleiner Ausschnitt der tatsächlich in Victoria kultivierten Arten, zu denen an Obst unter anderem Ananas, Bananen, Mangos, Karambolen, Guaven, Breiäpfel, Zitrus-Früchte und Avocados zählten. Daß P. Preuss, im Jahre 1861 in Thorn (heute Torun, Polen) geboren, versuchte, in seinem Garten auch ihm vertrautes Gemüse zu ziehen, kann nicht verwundern, ebensowenig wie sein Mißerfolg unter der Sonne des Aquators, denn er berichtet enttäuscht: »Weisskohl gedeiht, macht aber niemals grosse, feste ... Köpfe; Rotkohl gedeiht im Tieflande überhaupt nicht, ... ebenso rote Rüben, Wirsing- und Rosenkohl«.

Auf dem Gelände der Versuchsplantage in Victoria hatte man auch mehrere Gebäude errichtet, die in dem Modell exakt wiedergegeben werden. Es entspricht dem Hierarchiebewußtsein der Zeit, daß je ein Haus für den Bezirksamtmann, den Direktor, die Gärtner und für die Arbeiter bestimmt war - letzteres diente nebenbei als Gefängnis. Dies ist der Beschriftung des Modells zu entnehmen, das gleichzeitig erkennen läßt, daß auch getrennte Küchengebäude existierten. Wie sorgfältig und genau das Modell gearbeitet wurde, zeigt ein Vergleich mit einer zeitgenössischen Photographie, die das Haus des Direktors vom Ufer des Victoria-Flusses (heute Limbe River) aus gesehen darstellt.

Rückschläge blieben nicht aus: eine Massenentwicklung eines Käfers machte die Rodung von Tausenden Kaffeebäumen nötig, der geerntete Kakao erwies sich als minderwertig, schmeckte herb und sehr bitter, zumal man anfangs nur unzureichende Erfahrung mit der Gärung der Kakaobohnen besaß. Trotzdem wuchs die Regierungsplantage, die sich später »Kaiserliche Versuchsanstalt für Landeskultur« nannte, weiter, übernahm zusätzliche Aufgaben, wie den Betrieb eines chemischen und botanischen Laboratoriums oder einen »Schulbetrieb zwecks Ausbildung jüngerer Eingeborener zu Pflanzungsaufsehern«, und trotzte erfolgreich den Stürmen der Zeit. Als im Gefolge des Ersten Weltkriegs Victoria und sein Hinterland zum britischen Mandatsgebiet wurde, führten die neuen Kolonialherren die Einrichtung als »Victoria Botanical Garden weiter und förderten sie nachhaltig. Im Jahre 1961 kam dann der südliche Teil des britischen Mandatsgebiets durch Volksabstimmung an den inzwischen in die Unabhängigkeit entlassenen Staat Kamerun. Zwar wurde die sich nun »Limbe Botanical Garden« nennende Institution von ursprünglich 120 auf derzeit 48 Hektar verkleinert und ist jetzt nur mehr unwesentlich größer als der Botanische Garten Berlin-Dahlem, doch stellt sie unverändert die bedeutendste derartige Anlage Kameruns dar. Anders genutzt werden allerdings die Baulichkeiten - das Labor- und Bibliotheksgebäude diente eine Zeitlang als Spital und beherbergt jetzt das »Atlantic Beach Hotel«.

[Text: H. W. Lack]